top of page
Suche
  • AutorenbildMarie-Louise

Zwei Welten + Thanksgiving


Seit etwas mehr als zwei Monaten bin ich jetzt in den Staaten und es ist unbeschreiblich. Ich bin hier super glücklich. Zum Glück hab weder mit Heimweh noch sonstigen Problemen zu kämpfen. Jedoch realisiere ich mehr und mehr, dass ich zurzeit kein Teil der österreichischen Welt bin. Was für Leser jetzt nicht nach einer wahnsinns Erkenntnis klingt, hat mich am vorletzten Wochenende kurzzeitig Tränen gekostet.

Ich erwähn immer wieder wie gut es mir hier geht, dass ich mit ganz ganz vielen Sachen super viel Glück gehabt habe und wie dankbar ich bin.

Ich hab viel Kontakt zu meinen Freunden, bekomm haufenweise Fotos von meiner Familie und jeder bemüht sich den jeweils anderen am Laufenden zu halten.

Ich kann nur aus meiner Sicht sprechen, aber hier führe ich ein Leben, welches im Grunde nichts mit jenem in Österreich zutun hat. Niemand aus meinem Familien- oder Freundeskreis ist hier, keiner von der Arbeit, aus dem Kaffeeladen oder der Schule. Im Grunde sind es zwei unterschiedliche Welten. Und 6 Stunden Zeitunterschied viereinfachen das nicht.


Meine Erwartungen nichts aus Österreich zu verpassen waren hoch. Ich wollte vor allem ein Teil der "großen Events" sein. Jene die mich kennen, wissen, dass ich meinen Bruder die meiste Zeit ziemlich ziemlich gern hab. Und mein tränenreiches Wochenende ist im Grunde nur seine Schuld (und Kristins!!!!). Beide haben ihren Maturaball gefeiert - mit der ganzen Familie, meinen Freunden aus der Schule, aufgemascherlt in Anzug und Ballkleid. Viele verstehen nicht wieso mir die Bälle so wichtig waren. Im Grunde sind es doch nur einstressige Abende, welcher mit gestellten Fotos, zu viel Alkohol und einem Kater am nächsten Morgen enden. Und an das wird gedacht, wenn die Ballkarten schon ergattert sind. Die Sichtweise verändert sich, wenn man 3917 Meilen weit weg sitzt und keine Möglichkeit hat überhaupt ein Teil davon zu sein. Während sich in Österreich alle für die Ballnacht zurecht gemacht haben, hab ich meinen Kindern gerade Mittagessen gegeben und darauf geachtet, dass die Pasta möglichst nahe zum Mund und weit weg vom Teppichboden gelangt.

Pünktlichst zu meinem Dienstende hat die Mitternachtseinlage angefangen. Welche ich, dank FaceTime und Rafis 2300 Videos, ganz genau beobachten hab können. Zu Beginn hab ich das toll gefunden, nach ungefähr 3 Minuten dann aber nicht mehr, weil mir wieder klar geworden ist, dass das alles ohne mich geschieht. Aber als dann Buz vor der Kamera war, wars vorbei mit mir - er war angetrunken und ich in gefühlt 1000 Tränen versunken.

Ich möchte mich weder beklagen noch das Gefühl vermitteln Heimweh zu haben. Manchmal ist es nur hart zu realisieren, wie das Leben anderer einem Film gleicht. Ich setzte mich vor einen Bildschirm und sehe mir an, was die Kamera aufgezeichnet hat. Gleich ob FaceTime oder ein Video. Sobald der Computer oder das Telefon abgeschalten ist, sind die Welten wieder getrennt.

Nun stellt sich doch aber auch die Frage: Finde ich das gut oder schlecht?

Darauf gibt es wahrscheinlich keine konkrete Antwort. Ich wäre liebend gerne die nervenzehrende Schwester gewesen, welche Raphael bei seinem Ball in den Wahnsinn getrieben hätte. Oder ein Teil der Familienfotos, welche in einigen Jahren in Erinnerungen schwelgend angesehen werden. Aber gleichzeitig gestaltete sich mein Abend (nach dem Tränenmeer) super lustig. Wir waren in einer Bar, haben haufenweise Leute kennengelernt und wahnsinnig viel Spaß gehabt.

Es ist ein ständiges Für und Wider.

Doch dann realisiere ich wieder wie einmalig meine Erfahrungen hier sind und wie sehr sich mich als Person wachsen lassen. Hätte ich die Woche der Bälle in Österreich verbracht, dann würde ich jetzt keine Ahnung von Thanksgiving haben.

 


Nach Halloween kam nämlich der nächste US-Feiertag auf mich zu: Thanksgiving, am vierten Donnerstag im November. Um eins klar zustellen, Thanksgiving ist nicht Erntedank. Letzteres ist ein religiöser Feiertag, Thanksgiving ist dagegen weltlich.

Es ranken sich viele Legenden um die Entstehung von Thanksgiving. Eine Geschichte erzählt von den Pilgervätern, die am Plymouth Rock (Massachusetts) landeten. Im Herbst 1621 sollen sie mit den dort lebenden Indianern vom Stamme der Wampanoag ein dreitägiges Erntedankfest gefeiert haben. Geschichtlich belegt ist diese Feier bis heute nicht. Die meisten Amerikaner sehen sie allerdings als Geburtsstunde des Feiertags an.

Den ersten Thanksgiving-Tag führte Präsident George Washington am 3. Oktober 1789 ein. Schließlich erklärte Präsident Abraham Lincoln 1863 den vierten Donnerstag im November zum nationalen Thanksgiving-Feiertag.


An Thanksgiving kommen Freunde und Familie zu einem großen Festessen zusammen. Traditionsgemäß besteht dieses aus gefülltem Truthahn mit Cranberry Soße, Süßkartoffeln und Gemüse – eine Mahlzeit, wie es sie bereits beim ersten Thanksgiving-Festessen gegeben haben soll.

Während des Festessens existiert der Brauch des "Wishbones" (Wunsch-Knochen): Zwei Freiwillige umfassen das getrocknete Gabelbein des Truthahns mit dem kleinen Finger und ziehen daran, bis es zerbricht. Derjenige, der das größere Stück in der Hand hält, darf sich etwas wünschen.

Eine weitere Tradition ist die Zeremonie, bei der der Präsident die für das Weiße Haus bestimmten Truthähne entgegen nimmt. Dieses von der Presse begleitete Ritual besteht seit der Amtszeit von Präsident Harry S. Trumann. George Bush Senior erweiterte diesen Akt, indem er einige der Tiere im Spaß „begnadigte“ - eine Geste, die seine Nachfolger seither vorsetzen.


Das Thanksgiving bei meiner Gastfamilie gestaltete sich ganz ähnlich. Alle oben genannten Gerichte waren auf unserem Tisch drapiert und mit haufenweise Apple-, Pumkin- und Pecanpie gekrönt. Doch statt der großen Familie waren wir nur zu 8, was ich persönlich als ziemlich angenehm gefunden habe. Vor jenem Donnerstag habe ich jedoch kaum Erwartungen an Thanksgiving gehabt. In meinem Kopf war es eine Geldmacherei wie der Valentinstag. Desto überraschter war ich, als der Tag mich wirklich daran erinnert hat wie Dankbar ich eigentlich bin/ sein soll.

Es war eine sehr entspannte Stimmung. Am Morgen haben wir uns die Macy's Parade im TV angesehen, gekocht, alle zusammen den Tische gedeckt und für Stunden gegessen. Nichts war künstlich gestellt oder stressig angespannt. Und ich stell es mir super schön vor, wenn aus dem ganzen Land die Familie zusammenkommt, beiernder sitzt und darüber nachdenkt wie gut es uns allen eigentlich wirklich geht.

Noch dazu hat das Thanksgiving - Black Friday - Wochenende den Startschuss für Weihnachten gegeben. Am nächsten Morgen haben sich jene Herbst-Kürbis-Dekortionen in Tannenbäume und Zuckerstangen verwandelt. Jedes Kaufhaus spielt Weihnachtslieder, Weihnachtskarten werden verkauft und ich finds super - Ganz davon abgesehen, dass diese zwei Feiertage nicht nur Feste der Dankbarkeit und Besinnung sind, sondern die reinste Kalorien-Party.

 

Just like that, it’s been two months since I got here. And I have to admit that I really am lucky. I haven’t had to deal with homesickness or the need of going back. Nevertheless, I more and more realize that I’m no longer a part of the Austrian world. Which doesn’t seem like an incredible cognizance if you’re reading this but it made me weep a few weekends ago, more than I expected.

I always mention how happy, lucky and thankful I am here to be here. And I truly am. I talk to my friends and family aplenty. I’m pretty much aware of what‘s going on in their lives and I do my best to keep them up to date.

Obviously, I cannot speak for other Au Pairs, I myself lead a life which has nothing to do with the one I’ve had back in Austria. Neither my friends nor my family is here. Nobody from work, school or the coffeehouse I used to go. Au fond, they’re two different worlds. And 6 hours of time difference isn’t helping.

I’ve set my expectations high to never miss a detail of what’s going on in Austria. Especially the „big events“. If you know me, you’re pretty much aware of the fact that I love my baby brother. And all my weeping and crying is basically his fault (and my cousins!!!). Both of them had their prom a few weekends ago - with all of my friends from school and family attending.

Most people thought I’m some crazy sister which can’t bear to see her brother growing up (which is very true tho) and that I should stop making such a big deal about a stupid prom. Because what’s so special about it? You have to spend hours to get ready, wear the most uncomfortable shoes, drink too much and wake up with a hangover. But the difference is that all of those guys already purchased their tickets and marked the date in their calendar. I, on the other hand, was sitting 3917 miles away with no possible way of being a part of this complaining team.

While everyone got ready for the big prom in Austria, I’ve been feeding my host kids lunch and tried my very best to make sure that the pasta goes right into their mouth and not on the white carpet. But after lunch the time didn’t seem to pass. I couldn’t wait till the clock hit 6. Because that meant I was off and finally able to FaceTime my mom. Thanks to her call and Rafis 2300 videos I knew exactly what was going on. And I loved it. For about 3 minutes. Then I realized that all of this is happening without me. Which I was okay with at first but then my brother took over my mom’s phone. And I truly felt horrible. While he was drunk and super happy, I couldn’t stop crying. Tho I should have been mad at him, he is way too young to drink, he’s too young to grow up- but well, nobody asks me about that.

It is hard to describe without making the impression that I'm a terrible clingy sister. But if you’re an older sibling or even an older sister you maybe get my point. I myself went through all of the things he’s experiencing right now. And I know that they made me grow up. It isn’t the fear of seeing him grow into an adult (which he’s still very far from) it rather is that he’s growing up and I can’t be a part of it. I love my brother to bits and I am so very very proud of him (that why I show EVERYONE a picture of him). I feel like the least I can do for him is being there for him- not only via Snapchat.

I don’t want to complain nor convey the impression that I’m homesick. Sometimes it’s just hard to realize that the life of your loved ones seems like a movie - I sit in front of a screen and see what the camera documents. And as soon as I shut my phone or computer down those worlds are back to be held separately.

Now it all ends up wondering if it’s a good or a bad thing? I’m probably not able to answer that in any tangible way. I’d have LOVED to be the annoying sister which would have driven Raphael crazy at his prom. Or an actual part of the family picture (and not only through my very impressive photoshop skills). Because, in a few years, they’re gonna reminisce the whole evening by looking at that picture.

On the other hand, I’m offered a great opportunity to be here in the US. After that year I’ll probably carry 20 photo albums with me, not only one single picture.

And if I would have been with my family for prom weekend I wouldn’t have a bloody clue about Thanksgiving. Therefore I’m still very very happy and more than glad that I experienced that feast of calories.


bottom of page