Gestresste Generationen
- Marie-Louise
- 23. Apr. 2019
- 6 Min. Lesezeit
Millennials, Gen Z und alles rund um die "gestressten" Generationen.
Vor kurzem war ich mit einer Freundin in einem (oder eher gesagt dem einzigen) Café meiner Stadt. Und ohne Hintergedanken oder Erwartungen auf eine geistreiche Konversation hab ich ihr geschildert wie sehr ich mich selbst unter Druck setz(t)e, mit 19 mein Leben geplant und organisiert zu haben. Ohne sie erst zu Wort kommen zu lassen, erzählte ich alles rund um sozialen Vergleich, Erwartungsdruck und dem Gefühl ständig einen vollen Kalender haben zu müssen - als wäre das ein Statussymbol.

Während unserem Gespräch stellte sich heraus, dass auch sie mit ähnlichen Gedanken und Problemen durch die Welt marschiert. Haben sich hier einfach zwei gefunden die gleich Ticken oder ist das doch der Gedankengang mehrerer? Jeder der diesen Eintrag liest und jünger als 25 ist, fühlt sich vielleicht angesprochen - jene ältere Leser lass ich nun an meinen Erkenntnissen teilhaben. Die oftmals erwähnten Millennials und Gen Z sind jene Generationen, welche beinahe 40 Jahre abdecken und doch vergleichen sich Baby Boomer mit diesen zwei jungen Generationen.
Meiner Meinung nach sollte es zwischen dem Millennials und Gen Z noch eine weitere Genration geben, da ich mich weitaus mehr mit 1995 Babys identifizieren kann als mit den 2012 Frischlingen.
Daher fokussieren wir uns jetzt einfach auf die Jahre 1990 - 2002.
Alles wird verglichen
Ich brauche niemandem vorzumachen, dass sich in den vergangenen 10 - 15 Jahren Dinge radikal und rasant veränderten. Alles wurde "upgegradet" und modernisiert. Kaum mit veralteten Modellen von 1975 verglichen. Fast alles. Die Erwartungen an die junge Generation blieb jedoch felsenfest und unverändert in Stein gemeißelt.
"Damals in 1960..."
"Als ich in deinem Alter war.."
"Also diese Generation versteh ich nicht, die ist so anders.."
Großeltern und vereinzelt auch Eltern beschäftigen sich viel zu wenig mit den aktuellen Veränderungen. Natürlich ist unsere Generation anders und folgt anderen Idealen als die Traditionalisten oder Baby Boomer. Wir werden vor andere Probleme gestellt, was aber nicht bedeutet, dass diese einfacher oder gar unwichtiger sind.
Liebend gerne hör ich mir Geschichten über "damals" an. Mich fasziniert Geschehenes, die daraus gelernten Lektionen und das mir noch lange verschlossene Wissen über die Welt. Wenn dann aber ein abfallender, witzelnder Kommentar über die verdorbene, benimmlose "Jugend", samt dem Gebiss, aus dem Mund flutscht ist der Zauber auch schon wieder vorbei. Woran liegt es, dass so viele Errungenschaften der unter 30 Jährlingen belächelt werden?
Oftmals wird behauptet, dass es "selfmade" gar nicht mehr gibt und sowieso alles tipifax ist. Alles läuft online und arbeiten muss man für den Erfolg eh nicht mehr.
Da sich niemand ausgesucht hat zwischen 1990 - 2002 geboren zu werden, fällt es mir schwer mich dafür zu entschuldigen(?) oder gar eine passende Reaktion auf diese Aussagen zu finden.
Es gibt aber auch noch eine weitere Vergleichsplattform. Das liebe Internet. Während ich hier in einem Café sitze, zeigt mir Instagram wie erfolgreich andere 20-Jährige sind. Eine Unserin ist gerade auf den Weg nach Hawaii für einen Businesstrip, der Andere feiert den 5. Jahrestag seiner Beziehung. Meine Freunde studieren schon lange, dass sie mit der Hälfte ihres Studiums durch sind, wenn ich erst Anfangen werde. Ich treffe Mädels mit Doktortitel und Restaurantbesitzer welche gerade ein paar Jährchen älter sind als ich es selbst bin.
Besser. Schneller. Erfolgreicher. Wir sollen es allen beweisen.
Um es nicht nur uns selbst, sondern auch den Anderen zu beweisen stürzen sich Late-Millennials und Early-Gen Z's in volle Terminkalender als wäre es ein Pool gefüllt mit Konfetti. Alles wird auf eine To - Do Liste gepackt und so schnell wie möglich erledigt. Wenn dann aber doch mehr Zeit als geplant benötigt wird oder die eigentlich so simple Erledigung scheitert, beginnt man nervös zu werden und Dinge zu hinterfragen um danach noch gestresster zu sein.
Ich hab selbst erlebt wie Erfolg aufgebaut wurde und kann gar nicht in Worte fassen wie bewundernswert ich das bis heute finde. Klarerweise erweckt dass, das Verlangen ebenso eine erfolgreiche Karriere zu starten. Am besten noch früher und noch schneller um ja niemanden zu enttäuschen und um Generationskritikern den Mund zu verbieten.
Ich erwarte schon seit Jahren von mir selbst den perfekt ausgeklügelten Karriereplan vorzulegen und mit jedem verstreichenden Monat wächst der Druck doch endlich Entscheidungen zu treffen und mir dabei 100% sicher zu sein. Jetzt ist es drei Jahre später, ich lebe in Amerika und lerne wöchentlich mehr über die Welt, verschiedene Kulturen und mich selbst als ich anderswo jemals könnte.
Aber interessiert das irgendjemanden über 65? Nop. Wie oft mir mein Großvater Lektionen erteilt hat und mich freundlich darauf hinwies, dass ich ein wertvolles Jahr meines Lebens verschwende - Halleluja.
Nur weil den Traditionalisten und partiell den Babyboomer diese Chance gar nicht ermöglicht war, bedeutet nicht, dass ich (oder jede/r andere/r) sie nicht ergreifen kann und soll.
Sei egoistisch aber lass es doch lieber bleiben
"Genieße dein Leben solang du jung bist."
Diesen Satz hat sicher jeder schon gehört. Die bejahrten Nachbarn oder Omis Freundinnen lassen dich an ihren Lebensweisheiten teilhaben und vermitteln dir kurzfristig wirklich und wahrhaftig das Gefühl, dass es okay ist Zeit für sich selbst zu nehmen, herauszufinden wer man ist oder sein möchte und, dass man in seinen 20ern das Leben genießen soll und egoistische sein darf.
Doch dann schleicht sich schon das nächste Familenessen im Wirtshaus an und alle scheinen Schießpulver geladen zu haben.
Du wirst freundlich aber bestimmt dazu aufgefordert deinen 5 Jahresplan vorzulegen. Da ich mich aber noch nicht mal dazu entschieden hab ob ich heute Abend Friends oder This is Us schauen möchte, verlaufen diese Gespräche immer relativ kurz und werden mit einem Seufzer, fürs Erste, abgeschlossen. Hallo an Buz an der Stelle.
Perfekter Lebenslauf unter 25

Abgesehen davon, dass man gut in der Schule sein muss und bestenfalls mit 15,5 Jahren schon maturiert hat, braucht man danach auch schon einen, oder eher gesagt DEN, Job.
Und ich spreche nicht von Kellnern, Aushilfsarbeiten oder Kassierern. Wir reden hier von Führungspositionen in der Top Liga. Hierbei wird natürlich auch ein fehlerfreier, lückenloser Lebenslauf erwartet.
Sei nicht zu alt, denn sonst verstehst du die heutige Technik nicht mehr. Aber bitte lege uns mehr als 10 Jahre Berufserfahrung vor damit wir mit dir nicht unsere Zeit verschwenden. 3 ausgewachsene und selbstständige Kinder wären auch von Vorteil, damit wir keine Karenzvertretung anstellen müssen. Lebe mehrere Jahre im Ausland, wir wollen ja belegt haben, dass du eigenständig und weltoffen bist. Aber pass auf was du davon auf den sozialen Medien postest, denn wir checken dein Profil vor dem Jobinterview und während du bei uns Angestellt bist.
Und was hilft mir das?
Nichts. Der Vergleich mit anderen hat absolut keinen Nutzen für dich. Wieso mit etwas vergleichen, dass einen nur schlecht fühlen lässt? Was nun bedeutet, dass es 2 Auswahlmöglichkeiten gibt:
A) Von den Erfolgsgeschichten anderer inspirieren lassen + nach Tipps und Hilfe fragen.
Wissen kann geteilt werden. Schwer zu glauben aber tatsächlich möglich. Nur weil die Gesellschaft nicht darüber spricht, heißt das nicht, dass um Hilfe bitten oder Hilfe anzubieten etwas Verwerfliches ist. Wie hat Susi es geschafft mit 24 ihre Karriere so schnell anzukurbeln? Wahrscheinlich weil ihre Eltern beim Zahlen der Miete aushelfen oder sie gar noch Zuhause wohnt um Geld zu sparen. Oder all die prominenten Sternchen denen wir auf Instagram folgen. Besonders die haben eine Schar an Hilfe. Putzkräfte, Nannys, persönliche Assistenten. Hilfe ist nichts Schlechtes auch wenn Opi das behauptet. Wieso keinen Vorteil aus der vernetzten Generation ziehen?
B) Abstand nehmen
Du bist ein Mix aus jenen 5 Personen mit denen du die meiste Zeit verbringst. Das ist bewiesen und macht für mich auch total Sinn. Doch jetzt die Frage: Verbessern oder verschlechtern diese 5 dein Leben? Kannst du in ihnen Inspirationen, Unterstützung und Motivation finden? Oder wirst du eher hinuntergezogen? Wieso sollte man sich mit Leuten umgeben die einen schlecht oder gar weniger Wert fühlen lassen? Und das Gleiche gilt auch für soziale Medien. Der online Vergleich ist, für mich jedenfalls, ständig präsent. Wenn mich jene Profile nicht motivieren, sondern eher minderwertig fühlen lassen, wieso sollte ich mich dem freiwillig aussetzten?
Ich bin mir nicht mal sicher was ich mit dem Blogpost bewirken wollte, aber manchmal tuts gut aufzuschreiben was einem durch den Kopf geht. Falls jemand von meinen 4 + Lesern Gedanken zu dem Thema hat, wärs cool wenn wir drüber reden könnten :)
Ich wollte Andere daran erinnern, dass es okay ist Pausen zu nehmen, herauszufinden wer man eigentlich ist. Und an jene über 40 die Bitte das doch zu unterstützen. Wir leben nicht mehr in den 60- oder 70ern. Die Welt und Gesellschaft verändert sich und wird wegen euch auch nicht damit stoppen.
Oftmals legte ich mir den Druck selbst auf, aber die Angst mein Umfeld zu enttäuschen war präsenter als alles Andere. Und das ändert sich jetzt.
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